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Niedersächsisches Gesetz über Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid (Niedersächsisches Volksabstimmungsgesetz - NVAbstG)
Landesrecht Niedersachsen
Titel: Niedersächsisches Gesetz über Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid (Niedersächsisches Volksabstimmungsgesetz - NVAbstG)
Normgeber: Niedersachsen
Amtliche Abkürzung: NVAbstG
Gliederungs-Nr.: 11240010000000
Normtyp: Gesetz


(Inhaltsverzeichnis und amtliche Hinweise wurden ausgeblendet)




§ 1 NVAbstG – Beteiligungsrecht

(1) 1Die Teilnahme an Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheiden ist frei. 2Sie darf weder behindert noch erzwungen werden.

(2) Stimmberechtigt sind die zur Wahl des Landtages Berechtigten (§§ 2 und 3 des Niedersächsischen Landeswahlgesetzes).




§ 2 NVAbstG – Anwendung des Landeswahlrechts

Soweit durch dieses Gesetz und durch Verordnung nach § 38 keine Regelung getroffen wird, gelten für die Durchführung von Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheiden die Rechtsvorschriften über die Landtagswahl entsprechend.




§ 3 NVAbstG – Gegenstand der Volksinitiative

1Mit einer Volksinitiative können 70.000 Stimmberechtigte verlangen, dass sich der Landtag im Rahmen seiner verfassungsmäßigen Zuständigkeit mit bestimmten Gegenständen der politischen Willensbildung befasst (Artikel 47 Satz 1 der Niedersächsischen Verfassung). 2Ist Gegenstand der Volksinitiative ein Gesetzentwurf, so findet § 12 Abs. 3 Anwendung.




§ 4 NVAbstG – Unterschriftenbögen

(1) Für eine Volksinitiative sind Unterschriftenbögen zu verwenden, die den Vorschriften dieses Gesetzes und den durch Verordnung nach § 38 erlassenen Vorschriften entsprechen.

(2) Aus den Unterschriftenbögen muss ersichtlich sein, was mit der Volksinitiative vom Landtag gewünscht wird (Antrag).




§ 5 NVAbstG – Vertreterinnen und Vertreter

(1) 1Auf den Unterschriftenbögen sind mindestens fünf, höchstens neun stimmberechtigte Personen als Vertreterinnen oder Vertreter der Volksinitiative zu benennen. 2Anzugeben sind mindestens der Vor- und Familienname und die Postanschrift.

(2) 1Zur Wirksamkeit von Erklärungen der Vertreterinnen und Vertreter zur Volksinitiative genügt es, wenn sie von der Mehrheit der benannten Vertreterinnen und Vertreter abgegeben werden. 2Jede Vertreterin und jeder Vertreter ist allein befugt, Entscheidungen und andere Erklärungen zur Volksinitiative entgegenzunehmen.




§ 6 NVAbstG – Anzeigeverfahren

(1) 1Die Absicht, Unterschriften für eine Volksinitiative zu sammeln, ist schriftlich bei der Landeswahlleiterin oder dem Landeswahlleiter anzuzeigen. 2Die Anzeige muss den Antrag enthalten und die Vertreterinnen und Vertreter benennen. 3Die Anzeige muss von allen Vertreterinnen und Vertretern eigenhändig unterschrieben sein.

(2) 1Die Landeswahlleiterin oder der Landeswahlleiter teilt dem Landtag und der Landesregierung die beabsichtigte Volksinitiative mit. 2Stehen dem Antrag rechtliche Bedenken entgegen, so weist die Präsidentin oder der Präsident des Landtages die Vertreterinnen und Vertreter hierauf hin.

(3) Die Landeswahlleiterin oder der Landeswahlleiter berät die Vertreterinnen und Vertreter auf Verlangen bei der Gestaltung der Unterschriftenbögen.

(4) Die beabsichtigte Volksinitiative ist mit einer kurz gefassten Wiedergabe des Antrags und der Angabe der Vertreterinnen und Vertreter im Niedersächsischen Ministerialblatt bekannt zu machen.




§ 7 NVAbstG – Eintragung in die Unterschriftenbögen

(1) 1Die Antragstellerinnen und Antragsteller sind auf den Unterschriftenbögen mit leserlicher Angabe des Vor- und Familiennamens, des Geburtsdatums und der Hauptwohnung einzutragen und müssen ihre eigenhändige Unterschrift hinzusetzen. 2Dieselbe Person darf nur einmal eingetragen sein.

(2) Eine Eintragung kann nicht zurückgenommen werden.




§ 8 NVAbstG – Bestätigung des Stimmrechts der Eingetragenen

1Das Stimmrecht der eingetragenen Personen ist durch eine Bestätigung nachzuweisen, die von der Gemeinde unentgeltlich und unverzüglich auf den Unterschriftenbögen erteilt wird. 2Das Stimmrecht muss am Tage der Bestätigung bestehen. 3Die Unterzeichnenden müssen aus den Unterschriftenbögen ersehen können, dass diese Bestätigung bei der Gemeinde einzuholen ist.




§ 9 NVAbstG – Einreichung und Auswertung der Unterschriftenbögen

(1) Die Vertreterinnen und Vertreter haben die Unterschriftenbögen binnen eines Jahres nach der Anzeige bei der Landeswahlleiterin oder dem Landeswahlleiter einzureichen.

(2) Die Landeswahlleiterin oder der Landeswahlleiter stellt fest, ob die erforderliche Anzahl gültiger Eintragungen vorliegt und übermittelt das Ergebnis und den Antrag dem Landtag.




§ 10 NVAbstG – Ungültigkeit von Eintragungen

(1) Die Eintragung einer Antragstellerin oder eines Antragstellers in einem Unterschriftenbogen ist ungültig, wenn

  1. 1.

    der Unterschriftenbogen nicht den Vorschriften entsprechend gestaltet ist,

  2. 2.

    die Eintragung gegen § 7 Abs. 1 verstößt,

  3. 3.

    die Bestätigung des Stimmrechts (§ 8) fehlt oder unrichtig ist oder

  4. 4.

    der Unterschriftenbogen nicht fristgerecht eingereicht wird.

(2) 1Ist eine Eintragung im Hinblick auf die Angabe des Vornamens oder der Hauptwohnung nicht eindeutig, so führt dies abweichend von Absatz 1 Nr. 2 nicht zu ihrer Ungültigkeit, wenn die Meldebehörden die Eintragung unter Hinzuziehung des Melderegisters eindeutig einer Person zuordnen können. 2Mehrfache Eintragungen werden als eine Eintragung gezählt.




§ 11 NVAbstG – Behandlung im Landtag

(1) 1Ist eine Volksinitiative nach § 9 Abs. 2 dem Landtag zugegangen, so entscheidet dieser binnen sechs Wochen, ob er sich mit der Volksinitiative befasst. 2Die Frist läuft nicht während der Parlamentsferien. 3Sie kann mit Zustimmung der Vertreterinnen und Vertreter verlängert werden. 4Gegen eine ablehnende Entscheidung des Landtages können die Vertreterinnen und Vertreter binnen eines Monats nach Zustellung den Staatsgerichtshof anrufen.

(2) 1Hat der Landtag beschlossen, sich mit der Volksinitiative zu befassen, so hört der zuständige Ausschuss die Vertreterinnen und Vertreter in öffentlicher Sitzung an. 2Danach fasst der Landtag zum Gegenstand der Volksinitiative einen Beschluss.

(3) Im Übrigen regelt der Landtag sein Verfahren durch seine Geschäftsordnung.




§ 12 NVAbstG – Gegenstand des Volksbegehrens

(1) 1Ein Volksbegehren kann darauf gerichtet werden, ein Gesetz im Rahmen der Gesetzgebungsbefugnis des Landes zu erlassen, zu ändern oder aufzuheben. 2Dem Volksbegehren muss ein ausgearbeiteter, mit Gründen versehener Gesetzentwurf zu Grunde liegen. 3Gesetze über den Landeshaushalt, über öffentliche Abgaben sowie über Dienst- und Versorgungsbezüge können nicht Gegenstand eines Volksbegehrens sein (Artikel 48 Abs. 1 der Niedersächsischen Verfassung).

(2) Die Begründung des Gesetzentwurfs muss auch die Kosten und Mindereinnahmen darlegen, die bei Annahme des Gesetzes für das Land, für die Gemeinden, für die Landkreise und für betroffene andere Träger öffentlicher Verwaltung in absehbarer Zeit zu erwarten sind (Artikel 68 Abs. 1 der Niedersächsischen Verfassung).

(3) Enthält der Gesetzentwurf Vorschriften, die die Aufnahme oder Ausübung eines Berufs oder einer bestimmten Art seiner Ausübung beschränken, einschließlich des Führens einer Berufsbezeichnung und der im Rahmen dieser Berufsbezeichnung erlaubten Tätigkeiten, so sind diese Vorschriften auf ihre Übereinstimmung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nach Maßgabe der Anlage zu prüfen.




§ 13 NVAbstG – Unterschriftenbögen

(1) Für das Volksbegehren sind Unterschriftenbögen zu verwenden, die den Vorschriften dieses Gesetzes und den durch Verordnung nach § 38 erlassenen Vorschriften entsprechen.

(2) Aus den Unterschriftenbögen muss der Gesetzentwurf, der durch das Volksbegehren eingebracht werden soll, mit der Begründung ersichtlich sein.




§ 14 NVAbstG – Vertreterinnen und Vertreter

(1) 1Auf den Unterschriftenbögen sind mindestens fünf, höchstens neun stimmberechtigte Personen als Vertreterinnen oder Vertreter des Volksbegehrens zu benennen. 2Anzugeben sind mindestens der Vor- und Familienname und die Postanschrift.

(2) 1Zur Wirksamkeit von Erklärungen der Vertreterinnen und Vertreter zum Volksbegehren genügt es, wenn sie von der Mehrheit der benannten Vertreterinnen und Vertreter abgegeben werden. 2Jede Vertreterin und jeder Vertreter ist allein befugt, Entscheidungen und andere Erklärungen zum Volksbegehren entgegenzunehmen.




§ 15 NVAbstG – Anzeigeverfahren

(1) 1Die Absicht, Unterschriften für ein Volksbegehren zu sammeln, ist schriftlich bei der Landeswahlleiterin oder dem Landeswahlleiter anzuzeigen. 2Die Anzeige muss den Gesetzentwurf und die Begründung enthalten und die Vertreterinnen und Vertreter benennen. 3Die Anzeige muss von allen Vertreterinnen und Vertretern eigenhändig unterschrieben sein.

(2) Die Landeswahlleiterin oder der Landeswahlleiter teilt dem Landtag und der Landesregierung das beabsichtigte Volksbegehren mit.

(3) Die Landeswahlleiterin oder der Landeswahlleiter übermittelt den Vertreterinnen und Vertretern ein Muster, nach dem die Unterschriftenbögen für das Volksbegehren zu gestalten sind.

(4) Das beabsichtigte Volksbegehren ist mit einer kurz gefassten Wiedergabe seines Inhalts und der Angabe der Vertreterinnen und Vertreter im Niedersächsischen Ministerialblatt bekannt zu machen.




§ 16 NVAbstG – Eintragung in die Unterschriftenbögen

(1) 1Die Personen, die das Volksbegehren unterstützen wollen, sind auf den Unterschriftenbögen mit leserlicher Angabe des Vor- und Familiennamens, des Geburtsdatums und der Hauptwohnung einzutragen und müssen ihre eigenhändige Unterschrift hinzusetzen. 2Dieselbe Person darf nur einmal eingetragen sein.

(2) Werden auf einem Unterschriftenbogen mehrere Personen eingetragen, so müssen sie ihre Hauptwohnung in derselben Gemeinde haben.

(3) Eine Eintragung kann nicht zurückgenommen werden.




§ 17 NVAbstG – Einreichung und Auswertung der Unterschriftenbögen

(1) 1Die Unterschriftenbögen sind frühestens am Tage nach der Bekanntmachung gemäß § 15 Abs. 4, spätestens sechs Monate nach der Feststellung der Zulässigkeit des Volksbegehrens (§ 19) bei der Gemeinde einzureichen, in der die eingetragenen Personen ihre Hauptwohnung haben. 2Zur Einreichung ist jede Person befugt.

(2) 1Die Gemeinde stellt unverzüglich die Gültigkeit der Eintragungen fest und vermerkt dies auf den Unterschriftenbögen. 2Das Stimmrecht muss am Tage der Einreichung bestanden haben.

(3) Die Gemeinde teilt der Landeswahlleiterin oder dem Landeswahlleiter auf Anforderung mit, wie viele gültige Eintragungen ihr vorliegen.

(4) Die Landeswahlleiterin oder der Landeswahlleiter teilt den Vertreterinnen und Vertretern auf Verlangen alle zwei Monate bis zur Feststellung nach § 22 Abs. 1 mit, wie viele gültige Eintragungen den Gemeinden vorliegen.




§ 18 NVAbstG – Ungültigkeit von Eintragungen

(1) Die Eintragung einer Person in einem Unterschriftenbogen ist ungültig, wenn

  1. 1.

    die Eintragung auf einem Unterschriftenbogen erfolgt, der Abweichungen von dem durch die Landeswahlleiterin oder den Landeswahlleiter nach § 15 Abs. 3 übermittelten Muster enthält,

  2. 2.

    die Eintragung gegen § 16 Abs. 1 verstößt,

  3. 3.

    die eingetragene Person am Tage der Einreichung des Unterschriftenbogens nicht stimmberechtigt ist,

  4. 4.

    die eingetragene Person ihre Hauptwohnung nicht in der Gemeinde hat, bei der der Unterschriftenbogen eingereicht wird oder

  5. 5.

    der Unterschriftenbogen nicht fristgerecht eingereicht wird.

(2) 1Ist eine Eintragung im Hinblick auf die Angabe des Vornamens oder der Hauptwohnung nicht eindeutig, so führt dies abweichend von Absatz 1 Nr. 2 nicht zu ihrer Ungültigkeit, wenn die Meldebehörden die Eintragung unter Hinzuziehung des Melderegisters eindeutig einer Person zuordnen können. 2Mehrfache Eintragungen werden als eine Eintragung gezählt.




§ 19 NVAbstG – Entscheidung über die Zulässigkeit des Volksbegehrens

(1) 1Sobald den Gemeinden gültige Eintragungen von insgesamt mindestens 25.000 Stimmberechtigten vorliegen, können die Vertreterinnen und Vertreter die Feststellung der Zulässigkeit des Volksbegehrens (Artikel 48 Abs. 2 der Niedersächsischen Verfassung) beantragen. 2Wird die in Satz 1 genannte Zahl nicht binnen sechs Monaten nach der Bekanntmachung gemäß § 15 Abs. 4 erreicht oder wird innerhalb dieser Frist der Antrag nach Satz 1 nicht gestellt, so ist das Volksbegehren erledigt. 3Wird den Vertreterinnen und Vertretern später als zwei Wochen vor Ablauf der Sechsmonatsfrist bekannt gegeben, dass die in Satz 1 genannte Zahl erreicht worden ist, so kann der Antrag nach Satz 1 auch noch binnen zwei Wochen nach der Bekanntgabe gestellt werden.

(2) Der Antrag ist bei der Landeswahlleiterin oder dem Landeswahlleiter einzureichen, die oder der ihn der Landesregierung zur Beschlussfassung zuleitet.

(3) 1Die Entscheidung der Landesregierung ist vom zuständigen Ministerium den Vertreterinnen und Vertretern zuzustellen. 2Sie ist zu begründen, wenn die Unzulässigkeit des Volksbegehrens festgestellt wird.

(4) Gegen die Entscheidung der Landesregierung kann der Staatsgerichtshof binnen eines Monats nach Zustellung der Entscheidung angerufen werden.




§ 20 NVAbstG – Verfahren nach Feststellung der Zulässigkeit

1Ist die Zulässigkeit des Volksbegehrens festgestellt worden, so macht die Landeswahlleiterin oder der Landeswahlleiter die Entscheidung im Niedersächsischen Ministerialblatt bekannt. 2Bekannt zu machen sind zugleich ein Muster der Unterschriftenbögen und das Ende der Frist für deren Einreichung (§ 17 Abs. 1).




§ 21 NVAbstG – Änderung und Rücknahme des Volksbegehrens

(1) 1Ist festgestellt worden, dass das Volksbegehren nur mit Änderungen zulässig ist, so können es die Vertreterinnen und Vertreter binnen zwei Wochen nach Unanfechtbarkeit der Entscheidung entsprechend ändern. 2Lassen die erforderlichen Änderungen den wesentlichen Kern des Volksbegehrens unberührt, so kann zugleich mit der Feststellung nach Satz 1 bestimmt werden, dass die Eintragungen in den bisher eingereichten Unterschriftenbögen auf die Zahl nach § 22 Abs. 2 anzurechnen sind.

(2) 1Die Vertreterinnen und Vertreter können das Volksbegehren zurücknehmen, solange den Gemeinden noch nicht mehr als insgesamt 25.000 gültige Eintragungen vorliegen. 2§ 19 Abs. 1 bleibt unberührt.

(3) Änderung und Rücknahme sind der Landeswahlleiterin oder dem Landeswahlleiter gegenüber zu erklären.




§ 22 NVAbstG – Feststellung des Ergebnisses des Volksbegehrens

(1) 1Auf Antrag der Vertreterinnen und Vertreter, spätestens nach Ende der Frist für die Einreichung der Unterschriftenbögen (§ 17 Abs. 1), stellt der Landeswahlausschuss das Ergebnis des Volksbegehrens fest. 2Er ist dabei an die Auffassung der Gemeinden über die Gültigkeit der Eintragungen nicht gebunden.

(2) 1Das Volksbegehren kommt zu Stande, wenn es von mindestens 10 vom Hundert der Stimmberechtigten unterstützt wird (Artikel 48 Abs. 3 Satz 1 der Niedersächsischen Verfassung). 2Als Zahl der Stimmberechtigten gilt die amtlich ermittelte Zahl der Wahlberechtigten bei der letzten Landtagswahl.

(3) Die Landeswahlleiterin oder der Landeswahlleiter macht das vom Landeswahlausschuss festgestellte Ergebnis des Volksbegehrens bekannt.




§ 23 NVAbstG – Vorlage des Volksbegehrens beim Landtag

1Die Landeswahlleiterin oder der Landeswahlleiter übermittelt das Ergebnis des Volksbegehrens der Landesregierung. 2Diese leitet den Gesetzentwurf mit ihrer Stellungnahme unverzüglich an den Landtag weiter (Artikel 48 Abs. 3 Satz 2 der Niedersächsischen Verfassung).




§ 24 NVAbstG – Volksentscheid

(1) Nimmt der Landtag einen Gesetzentwurf, der ihm auf Grund eines Volksbegehrens zugeleitet wird, nicht innerhalb von sechs Monaten im Wesentlichen unverändert an, so findet spätestens sechs Monate nach Ablauf der Frist oder nach dem Beschluss des Landtages, den Entwurf nicht als Gesetz anzunehmen, ein Volksentscheid über den Gesetzentwurf statt.

(2) 1Der Landtag kann dem Volk einen eigenen Gesetzentwurf zum Gegenstand des Volksbegehrens zur Entscheidung mit vorlegen (Artikel 49 Abs. 1 der Niedersächsischen Verfassung). 2Beschließt der Landtag einen durch Volksbegehren eingebrachten Gesetzentwurf mit nicht nur unwesentlichen Änderungen, so gilt dieser als eigener Gesetzentwurf des Landtages.

(3) Die Landesregierung beschließt den Tag und die Zeit der Abstimmung.




§ 25 NVAbstG – Bekanntmachung von Tag und Gegenstand des Volksentscheids

1Im Niedersächsischen Ministerialblatt sind bekannt zu machen:

  1. 1.

    der Tag der Abstimmung,

  2. 2.

    der Text und die Begründung des Gesetzentwurfs und

  3. 3.

    der Beschluss des Landtages zu dem Volksbegehren.

2Die Bekanntmachung kann auch eine Stellungnahme der Landesregierung enthalten.




§ 26 NVAbstG – Gliederung des Abstimmungsgebiets

(1) 1Abstimmungsgebiet ist das Land. 2Es gliedert sich in Stimmkreise und Stimmbezirke.

(2) Stimmkreise sind die Landtagswahlkreise.

(3) 1Abgestimmt wird in Stimmbezirken. 2Jede Gemeinde bildet mindestens einen Stimmbezirk. 3In größeren Gemeinden sind mehrere Stimmbezirke zu bilden.




§ 27 NVAbstG – Abstimmungsorgane

(1) Für die Durchführung eines Volksentscheids sind, soweit erforderlich, Abstimmungsorgane in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Niedersächsischen Landeswahlgesetzes über die Wahlorgane zu bilden.

(2) Für die Pflicht zur ehrenamtlichen Mitwirkung gelten die §§ 46 und 47 des Niedersächsischen Landeswahlgesetzes entsprechend.




§ 28 NVAbstG – Stimmzettel, Abstimmungsfrage

(1) Die Stimmzettel werden durch die Landeswahlleiterin oder den Landeswahlleiter bereitgestellt.

(2) Auf den Stimmzetteln ist der abstimmenden Person die Frage vorzulegen, ob sie dem durch Volksbegehren eingebrachten Gesetzentwurf zustimmt.

(3) 1Stehen mehrere Gesetzentwürfe, die den gleichen Gegenstand betreffen, inhaltlich aber miteinander nicht vereinbar sind, zur Abstimmung, so sind sie auf einem Stimmzettel mit je einer Kurzbezeichnung gemeinsam aufzuführen. 2Ihre Reihenfolge richtet sich nach der vom Landeswahlausschuss festgestellten Zahl der gültigen Eintragungen. 3Hat der Landtag einen eigenen Gesetzentwurf mit zur Entscheidung vorgelegt, so wird dieser nach den mit Volksbegehren gestellten Gesetzentwürfen aufgeführt. 4Die Frage nach Absatz 2 ist für jeden dieser Gesetzentwürfe zu stellen.




§ 29 NVAbstG – Teilnahme an der Abstimmung

(1) Abstimmen kann nur, wer in ein Stimmberechtigtenverzeichnis eingetragen oder einen Stimmschein hat.

(2) 1Wer im Stimmberechtigtenverzeichnis eingetragen ist, kann nur in dem Stimmbezirk abstimmen, in dessen Stimmberechtigtenverzeichnis er geführt wird. 2Wer einen Stimmschein hat, kann in einem beliebigen Stimmbezirk seines Stimmkreises oder durch Briefabstimmung abstimmen.

(3) 1Für die Aufstellung, Führung, Auslegung und Berichtigung des Stimmberechtigtenverzeichnisses gelten die Vorschriften des Landtagswahlrechts für das Wählerverzeichnis entsprechend. 2Für die Briefabstimmung gelten die Vorschriften des Landtagswahlrechts für die Briefwahl entsprechend.




§ 30 NVAbstG – Stimmabgabe

(1) 1Die Stimme darf nur auf "Ja" oder "Nein" lauten. 2Abstimmende geben durch ein Kreuz oder auf andere Weise auf dem Stimmzettel zu erkennen, ob sie die gestellte Frage mit "Ja" oder "Nein" beantworten wollen.

(2) 1Im Fall des § 28 Abs. 3 kann die abstimmende Person zu jedem der Gesetzentwürfe eine Ja-Stimme oder eine Nein-Stimme abgeben. 2Sie braucht nicht zu jedem der Gesetzentwürfe eine Stimme abzugeben.




§ 31 NVAbstG – Ungültige Stimmen, Zurückweisung von Stimmbriefen, Auslegungsregeln

Für die Auslegung und die Beurteilung der Gültigkeit von Stimmen und für die Zurückweisung von Stimmbriefen gelten die Vorschriften des Landtagswahlrechts entsprechend.




§ 32 NVAbstG – Ermittlung des Abstimmungsergebnisses

(1) Nach dem Ende der Abstimmungszeit stellt der Abstimmungsvorstand für jeden zur Abstimmung gestellten Gesetzentwurf einzeln fest, wie viele gültige Stimmen hierzu mit "Ja" und wie viele mit "Nein" abgegeben worden sind und wie viele Stimmen ungültig sind.

(2) Der Landeswahlausschuss stellt in gleicher Weise das Abstimmungsergebnis für das ganze Land fest und gibt es öffentlich bekannt.

(3) Im Übrigen gelten die Vorschriften des Landtagswahlrechts über die Feststellung von Wahlergebnissen entsprechend.




§ 33 NVAbstG – Ergebnis des Volksentscheids

(1) 1Ein Gesetz ist durch Volksentscheid beschlossen, wenn die Mehrheit derjenigen, die ihre Stimme abgegeben haben, jedoch mindestens ein Viertel der Stimmberechtigten, dem Entwurf zugestimmt hat. 2Die Verfassung ist durch Volksentscheid nur geändert, wenn mindestens die Hälfte der Stimmberechtigten zustimmt (Artikel 49 Abs. 2 der Niedersächsischen Verfassung).

(2) 1Wenn im Fall des § 28 Abs. 3 mehr als einer der Gesetzentwürfe das Ergebnis nach Absatz 1 erreicht, so ist von diesen Entwürfen derjenige beschlossen, der die meisten Ja-Stimmen erhalten hat. 2Haben mehrere dieser Entwürfe die gleiche Zahl an Ja-Stimmen erhalten, so ist von ihnen der Gesetzentwurf mit dem größten Überschuss der Ja-Stimmen über die Nein-Stimmen beschlossen.




§ 34 NVAbstG – Anfechtung des Volksentscheids

1Der Volksentscheid kann durch Einspruch beim Staatsgerichtshof angefochten werden. 2Das Nähere regelt das Gesetz über den Staatsgerichtshof.




§ 35 NVAbstG – Ausfertigung und Verkündung

1Ein durch Volksentscheid angenommenes Gesetz ist durch die Präsidentin oder den Präsidenten des Landtages auszufertigen und von der Ministerpräsidentin oder dem Ministerpräsidenten im Gesetz- und Verordnungsblatt zu verkünden. 2In der Eingangsformel ist darauf hinzuweisen, dass das Gesetz durch Volksentscheid zu Stande gekommen ist.




§ 36 NVAbstG – Ordnungswidrigkeiten

1Ordnungswidrig handelt, wer ohne wichtigen Grund eine ehrenamtliche Tätigkeit für Aufgaben nach diesem Gesetz ablehnt oder sich den Pflichten einer solchen ehrenamtlichen Tätigkeit entzieht. 2Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße geahndet werden.




§ 37 NVAbstG – Fristen und Termine

1Die in diesem Gesetz vorgesehenen Fristen und Termine verlängern oder ändern sich nicht dadurch, dass der letzte Tag der Frist oder ein Termin auf einen Samstag, einen Sonntag, einen gesetzlichen oder staatlich geschützten Feiertag fällt. 2Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist ausgeschlossen.




§ 38 NVAbstG – Ausführungsbestimmungen

1Das Innenministerium wird ermächtigt, zur Ausführung dieses Gesetzes erforderliche Vorschriften durch Verordnung zu erlassen. 2Dann können insbesondere geregelt werden:

  1. 1.

    das Verfahren bei der Sammlung von Unterschriften und der Aufstellung und Auslegung der Abstimmungsverzeichnisse einschließlich der Form und des Inhalts der Unterschriftenbögen und Verzeichnisse,

  2. 2.

    das Stimmberechtigtenverzeichnis sowie die Benachrichtigung der stimmberechtigten Personen,

  3. 3.

    Form und Inhalt des Stimmzettels,

  4. 4.

    die Bereitstellung, Einrichtung und Bekanntmachung der Abstimmungsräume, die Abstimmungsvorrichtungen sowie Vorkehrungen zur Wahrung des Abstimmungsgeheimnisses und gegen die Beeinflussung der Abstimmenden,

  5. 5.

    die Bildung und das Verfahren der Abstimmungsorgane, die Berufung in ein Abstimmungsehrenamt und die Entschädigung für Inhaber eines solchen Amtes,

  6. 6.

    die Briefabstimmung,

  7. 7.

    die Feststellung, Meldung und Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses,

  8. 8.

    die Gültigkeit von Unterschriftenlisten, Eintragungen, Stimmzetteln und Stimmen,

  9. 9.

    die Feststellung der Ergebnisse, ihre Weitermeldung und Bekanntgabe sowie die Aufbewahrung der Unterlagen,

  10. 10.

    die Erstattung von Kosten.




§ 39 NVAbstG – Kosten

(1) Ist ein Volksbegehren zu Stande gekommen, so haben die Vertreterinnen und Vertreter des Volksbegehrens Anspruch auf Erstattung der notwendigen Kosten einer angemessenen Information der Öffentlichkeit über die Ziele des Volksbegehrens (Artikel 50 Abs. 1 der Niedersächsischen Verfassung).

(2) 1Das Land erstattet den Gemeinden und Gemeindeverbänden die durch die Vorbereitung und Durchführung eines Volksentscheids entstehenden notwendigen Kosten durch einen festen Betrag je Stimmberechtigten. 2Der Betrag kann nach Gemeindegröße abgestuft werden. 3Ein Teil der Ausgaben kann unabhängig von der Größe der Gemeinde und der Zahl der Stimmberechtigten durch einen Grundbetrag abgegolten werden.

(3) 1Die Kostenbeträge, die nach den Absätzen 1 und 2 zu erstatten sind, werden vom Innenministerium im Einvernehmen mit dem Finanzministerium durch Verordnung festgesetzt. 2Bei der Festsetzung werden laufende Personal- und Sachkosten sowie Kosten der Benutzung von Räumen und Einrichtungen nicht berücksichtigt.




§ 40 NVAbstG – Statistik und Datenschutz

(1) 1Die Ergebnisse des Volksentscheids sind von der Landesstatistikbehörde statistisch zu bearbeiten. 2Die mit der Durchführung dieses Gesetzes betrauten Stellen übermitteln diesem die dafür erforderlichen Angaben.

(2) 1Die Landeswahlleiterin oder der Landeswahlleiter kann bestimmen, dass in von ihr oder ihm zu benennenden Stimmbezirken auch Statistiken über Geschlechts- und Altersgliederung der Stimmberechtigten und Abstimmenden unter Berücksichtigung der Stimmabgabe aufzustellen sind. 2Die Trennung des Volksentscheids nach Altersgruppe und Geschlechtern ist nur zulässig, wenn die Stimmabgabe der einzelnen abstimmenden Personen dadurch nicht erkennbar wird. 3Auswertungen für einzelne Stimmbezirke dürfen nicht veröffentlicht werden.

(3) 1Personenbezogene Daten, die auf der Grundlage dieses Gesetzes erhoben werden, dürfen nur für die Durchführung einer Volksinitiative, eines Volksbegehrens oder eines Volksentscheids genutzt werden. 2Werden sie für den Verfahrensabschnitt, für den sie erhoben werden, nicht mehr gebraucht, so sind sie zu löschen.




§ 41 NVAbstG – Mitwirkung der Samtgemeinden

1Die den Gemeinden nach diesem Gesetz oder einer hierzu ergangenen Verordnung obliegenden Aufgaben werden für Gemeinden, die einer Samtgemeinde angehören, von der Samtgemeinde erfüllt. 2Dabei gelten folgende Regelungen:

  1. 1.

    Die Samtgemeinde soll ihre Tätigkeit unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse so einrichten, dass die Vorbereitung und Durchführung von Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheiden möglichst erleichtert werden.

  2. 2.

    Die Samtgemeinde veröffentlicht ihre Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide betreffenden Bekanntmachungen in allen Mitgliedsgemeinden in der jeweils ortsüblichen Art.

  3. 3.

    Die Samtgemeinde kann im Einvernehmen mit der Mitgliedsgemeinde bestimmen, dass einzelne Aufgaben von der Mitgliedsgemeinde erfüllt werden. 2Macht sie von dieser Möglichkeit Gebrauch, so hat sie es in der Mitgliedsgemeinde ortsüblich bekannt zu machen.

  4. 4.

    Die Landeswahlleiterin oder der Landeswahlleiter kann im Einzelfall Regelungen zur Anpassung an besondere Verhältnisse einer Samtgemeinde treffen.




§ 42 NVAbstG – Sicherung und Vernichtung der Abstimmungsunterlagen

1Die Abstimmungsunterlagen sind zwei Jahre aufzubewahren und danach zu vernichten. 2Im Übrigen gelten die §§ 82 und 84 der Niedersächsischen Landeswahlordnung entsprechend.




§ 43 NVAbstG

(weggefallen)




§ 44 NVAbstG – In-Kraft-Treten

Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft.




Anlage NVAbstG – Verhältnismäßigkeitsprüfung nach der Richtlinie (EU) 2018/958 in Bezug auf Berufsreglementierungen

(zu § 12 Abs. 3)

I. Begriffsbestimmungen

  1. 1.

    "Reglementierter Beruf" ist eine berufliche Tätigkeit oder eine Gruppe beruflicher Tätigkeiten, bei der die Aufnahme oder Ausübung oder eine der Arten der Ausübung direkt oder indirekt durch Rechts- und Verwaltungsvorschriften an den Besitz bestimmter Berufsqualifikationen gebunden ist; eine Art der Ausübung ist insbesondere die Führung einer Berufsbezeichnung, die durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften auf Personen beschränkt ist, die über eine bestimmte Berufsqualifikation verfügen.

  2. 2.

    "Berufsqualifikationen" sind die Qualifikationen, die durch einen Ausbildungsnachweis, einen Befähigungsnachweis nach Artikel 11 Buchst. a Ziffer i der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (ABl. L 255 vom 30.9.2005, S. 22; L 271 vom 16.10.2007, S. 18; L 93 vom 4.4.2008, S. 28; L 33 vom 3.2.2009, S. 49; L 305 vom 24.10.2014, S. 115), zuletzt geändert durch den Delegierten Beschluss (EU) 2023/2383 der Kommission vom 23. Mai 2023 (ABl. L, 2023/2383, 9.10.2023), und/oder Berufserfahrung nachgewiesen werden.

  3. 3.

    "Geschützte Berufsbezeichnung" bezeichnet eine Form der Reglementierung eines Berufs, bei der die Verwendung einer Bezeichnung bei der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit oder einer Gruppe von beruflichen Tätigkeiten aufgrund von Rechts- und Verwaltungsvorschriften unmittelbar oder mittelbar dem Besitz einer bestimmten Berufsqualifikation unterliegt und bei einer missbräuchlichen Verwendung dieser Bezeichnung Sanktionen verhängt werden.

  4. 4.

    "Vorbehaltene Tätigkeiten" bedeutet eine Form der Reglementierung eines Berufs, bei der der Zugang zu einer beruflichen Tätigkeit oder einer Gruppe von beruflichen Tätigkeiten aufgrund von Rechts- und Verwaltungsvorschriften unmittelbar oder mittelbar Angehörigen eines reglementierten Berufs, die Inhaberinnen oder Inhaber einer bestimmten Berufsqualifikation sind, vorbehalten wird, und zwar auch dann, wenn diese Tätigkeit mit anderen reglementierten Berufen geteilt wird.

II. Grundsätze bei der Durchführung der Verhältnismäßigkeitsprüfung

  1. 1.

    Der Umfang der Prüfung muss im Verhältnis zu der Art, dem Inhalt und den Auswirkungen der Vorschriften stehen.

  2. 2.

    Jede Vorschrift ist so ausführlich zu erläutern, dass ihre Übereinstimmung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bewertet werden kann.

  3. 3.

    Die Gründe, aus denen sich ergibt, dass eine Vorschrift gerechtfertigt und verhältnismäßig ist, sind durch qualitative und, soweit möglich und relevant, quantitative Elemente zu substantiieren.

  4. 4.

    Die Vorschriften dürfen weder eine direkte noch eine indirekte Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder des Wohnsitzes darstellen.

  5. 5.

    Die Vorschriften müssen durch Ziele des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein (Artikel 6 der Richtlinie [EU] 2018/958 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Juni 2018 über eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Erlass neuer Berufsreglementierungen, ABl. L 173 vom 9.7.2018, S. 25).

  6. 6.

    Die Vorschriften müssen für die Verwirklichung des angestrebten Zieles geeignet sein und dürfen nicht über das zur Erreichung dieses Zieles erforderliche Maß hinausgehen.

III. Kriterien bei der Durchführung der Verhältnismäßigkeitsprüfung

  1. 1.

    Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit sind sämtliche der folgenden Kriterien zu berücksichtigen:

    1. a)

      die Eigenart der mit den angestrebten Zielen des Allgemeininteresses verbundenen Risiken, insbesondere der Risiken für Dienstleistungsempfängerinnen und Dienstleistungsempfänger, einschließlich Verbraucherinnen und Verbraucher, Berufsangehörige und Dritte;

    2. b)

      die Frage, ob bestehende Regelungen spezifischer oder allgemeiner Art, etwa Regelungen in Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der Produktsicherheit oder des Verbraucherschutzes, nicht ausreichen, um das angestrebte Ziel zu erreichen;

    3. c)

      die Eignung der Vorschriften hinsichtlich ihrer Angemessenheit zur Erreichung des angestrebten Zieles sowie die Frage, ob sie diesem Ziel tatsächlich in kohärenter und systematischer Weise gerecht werden und somit den Risiken entgegenwirken, die bei vergleichbaren Tätigkeiten in ähnlicher Weise identifiziert wurden;

    4. d)

      die Auswirkungen auf den freien Personen- und Dienstleistungsverkehr innerhalb der Europäischen Union, die Wahlmöglichkeiten für die Verbraucherinnen und Verbraucher und die Qualität der bereitgestellten Dienstleistungen;

    5. e)

      die Frage, ob zur Erreichung des im Allgemeininteresse liegenden Zieles auch auf mildere Mittel zurückgegriffen werden kann; wenn die Vorschriften nur durch den Verbraucherschutz gerechtfertigt sind und sich die identifizierten Risiken auf das Verhältnis zwischen der oder dem Berufsangehörigen und der Verbraucherin oder dem Verbraucher beschränken und sich deshalb nicht negativ auf Dritte auswirken, ist insbesondere zu prüfen, ob das Ziel durch Maßnahmen erreicht werden kann, die milder sind als die Maßnahme, die Tätigkeiten vorzubehalten.

  2. 2.

    Darüber hinaus sind bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit die folgenden Kriterien zu berücksichtigen, wenn sie für die Art und den Inhalt der neu eingeführten oder geänderten Vorschrift relevant sind:

    1. a)

      der Zusammenhang zwischen dem Umfang der Tätigkeiten, die von einem Beruf erfasst sind oder die einem Beruf vorbehalten sind, und der erforderlichen Berufsqualifikation;

    2. b)

      der Zusammenhang zwischen der Komplexität der betreffenden Aufgaben und der Notwendigkeit, dass diejenigen, die die Aufgaben wahrnehmen, im Besitz einer bestimmten Berufsqualifikation sind, insbesondere in Bezug auf Niveau, Eigenart und Dauer der erforderlichen Ausbildung oder Erfahrung;

    3. c)

      die Möglichkeit, die berufliche Qualifikation auf alternativen Wegen zu erlangen;

    4. d)

      die Frage, ob und warum die bestimmten Berufen vorbehaltenen Tätigkeiten mit anderen Berufen geteilt oder nicht geteilt werden können;

    5. e)

      der Grad an Autonomie bei der Ausübung eines reglementierten Berufs und die Auswirkungen von Organisations- und Überwachungsmodalitäten auf die Erreichung des angestrebten Zieles, insbesondere wenn die mit einem reglementierten Beruf zusammenhängenden Tätigkeiten unter der Kontrolle und Verantwortung einer ordnungsgemäß qualifizierten Fachkraft stehen;

    6. f)

      die wissenschaftlichen und technologischen Entwicklungen, die die Informationsasymmetrie zwischen Berufsangehörigen und Verbraucherinnen und Verbrauchern tatsächlich abbauen oder verstärken können.

  3. 3.

    Wird die neue oder geänderte Vorschrift mit einer oder mehreren Anforderungen kombiniert, so müssen unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Auswirkungen sowohl positiv als auch negativ sein können, insbesondere in Bezug auf die nachfolgenden Anforderungen die Auswirkungen der neuen oder geänderten Vorschrift geprüft werden. Die Prüfung muss insbesondere beinhalten, wie die neuen oder geänderten Vorschriften kombiniert mit anderen Anforderungen zum Erreichen desselben legitimen Zwecks beitragen und ob sie hierfür notwendig sind:

    1. a)

      Tätigkeitsvorbehalte, geschützte Berufsbezeichnung oder jede sonstige Form der Reglementierung im Sinne des Abschnitts I Nr. 1;

    2. b)

      Verpflichtungen zur kontinuierlichen beruflichen Weiterbildung;

    3. c)

      Vorschriften in Bezug auf Berufsorganisation, Standesregeln und Überwachung;

    4. d)

      Pflichtmitgliedschaft in einer Berufsorganisation, Registrierungs- und Genehmigungsregelungen, insbesondere wenn diese Anforderungen den Besitz einer bestimmten Berufsqualifikation voraussetzen;

    5. e)

      quantitative Beschränkungen, insbesondere Anforderungen, die die Zahl der Zulassungen zur Ausübung eines Berufs begrenzen oder die eine Mindest- oder Höchstzahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer oder Vertreterinnen und Vertreter festsetzen, die bestimmte Berufsqualifikationen besitzen;

    6. f)

      Anforderungen an bestimmte Rechtsformen oder Anforderungen in Bezug auf die Beteiligungsstruktur oder Geschäftsleitung eines Unternehmens, soweit diese Anforderungen unmittelbar mit der Ausübung des reglementierten Berufs zusammenhängen;

    7. g)

      geografische Beschränkungen, auch dann, wenn der Beruf in Teilen der Bundesrepublik Deutschland in einer Weise reglementiert ist, die sich von der Reglementierung in anderen Teilen unterscheidet;

    8. h)

      Anforderungen, die die gemeinschaftliche oder partnerschaftliche Ausübung eines reglementierten Berufs beschränken, sowie Unvereinbarkeitsregeln;

    9. i)

      Anforderungen an den Versicherungsschutz oder andere Mittel des persönlichen oder kollektiven Schutzes in Bezug auf die Berufshaftpflicht;

    10. j)

      Anforderungen an Sprachkenntnisse, soweit diese für die Ausübung des Berufs erforderlich sind;

    11. k)

      festgelegte Mindest- und/oder Höchstpreisanforderungen;

    12. l)

      Anforderungen an die Werbung.

  4. 4.

    Zusätzlich ist sicherzustellen, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eingehalten wird, wenn spezifische Anforderungen im Zusammenhang mit der vorübergehenden oder gelegentlichen Erbringung von Dienstleistungen gemäß Titel II der Richtlinie 2005/36/EG, einschließlich der folgenden Anforderungen, neu eingeführt oder geändert werden:

    1. a)

      eine automatische vorübergehende Eintragung oder eine Pro-Forma-Mitgliedschaft bei einer Berufsorganisation gemäß Artikel 6 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2005/36/EG;

    2. b)

      eine vorherige Meldung gemäß Artikel 7 Abs. 1 der Richtlinie 2005/36/EG, die gemäß Artikel 7 Abs. 2 der Richtlinie 2005/36/EG erforderlichen Dokumente oder eine sonstige gleichwertige Anforderung;

    3. c)

      die Zahlung einer Gebühr oder von Entgelten, die von der Dienstleistungserbringerin oder dem Dienstleistungserbringer für die Verwaltungsverfahren im Zusammenhang mit dem Zugang zu reglementierten Berufen oder im Zusammenhang mit deren Ausübung gefordert werden.

    Die Verpflichtung nach Satz 1 gilt nicht für Maßnahmen, durch die die Einhaltung geltender Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen gewährleistet werden soll, die im Einklang mit dem Recht der Europäischen Union angewendet werden.

  5. 5.

    Bei Vorschriften, die die Reglementierung von Gesundheitsberufen betreffen und die Auswirkungen auf die Patientensicherheit haben, ist das Ziel der Sicherstellung eines hohen Niveaus des Gesundheitsschutzes zu berücksichtigen.

IV. Verfahrenspflichten des jeweils zuständigen Ministeriums

  1. 1.

    Mindestens zwei Wochen vor der Beschlussfassung über die Vorschriften veröffentlicht das jeweils zuständige Ministerium auf seiner Internetseite einen Entwurf mit der Gelegenheit zur Stellungnahme.

  2. 2.

    Das jeweils zuständige Ministerium überwacht nach dem Erlass der Vorschriften ihre Übereinstimmung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und prüft bei einer Änderung der Umstände, ob die Vorschriften anzupassen sind.